#56 trockenes Phonsavan

Die Route durch Laos hat uns lange Kopfschmerzen bereitet. Nicht nur ob wir das Abenteuer überhaupt wagen, sondern auch wie wir fahren. Besonders begeistert hat uns der Norden des Landes, die schlechte Infrastruktur hätte jedoch zu viel Reisezeit beansprucht. Von Luang Prabang direkt nach Vinh zu fahren, ist aufgrund der 22 stündigen Fahrzeit ebenfalls keine Option und so stehen wir morgens am Busbahnhof, um nach Phonsavan zu fahren. Wir freuen uns, eine Stadt zu besuchen die nicht typischerweise auf den Touristen Routen zu finden ist.

Die Strecke können wir mit dem Minivan oder einem öffentlichen Bus zurücklegen. Da die Minivans nach gründlicher Internetrecherche zum Rasen neigen, plädiert Jasmin für den etwas günstigeren öffentlichen Bus. Es dauert länger, dafür überstehen wir die Serpentinen aber hoffentlich ohne Übelkeit. Das TukTuk zum Busbahnhof kostet schon halb so viel wie ein einzelnes Busticket, der Preisvorteil ist dahin.

Unser Bus ist kaum größer als der Minivan. Zweierreihen auf der einen Seite, eine einzelne Reihe auf der anderen Seite. Zunächst sind wir die einzigen Europäer unter den Wartenden. Wie Mallorca Urlauber, oder eben laotische Busreisende reservieren wir mit unserem Handgepäck Sitzplätze. Nur noch die vorletzte Reihe ist frei. Kurz vor Abfahrt erreicht ein französisches Ehepaar, mittleren Alters den Bus. Auch sie scheinen von den Serpentinen gelesen zu haben und interessieren sich offenbar nur bedingt für Platzreservierungen. Kurzerhand werden die besten Sitzplätze ausfindig gemacht, die entsprechenden Rucksäcke einfach zur Seite gelegt, das Nackenhörnchen aufgeblasen und schon sitzen sie da, das perfekte Beispiel warum Touristen nicht immer beliebt sind. Die Einheimischen nehmen es mit Humor. Sie nehmen in der letzten Reihe Platz, sie waren ja nur bereits eine Stunde vor Abfahrt da. Wir schämen uns irgendwie.

Als alle schließlich Ihre Sitzplätze eingenommen haben, werden zusätzliche Plätze geschaffen. Der mittlere Gang wird in Sitze verwandelt. Ohne Armlehne. Ein einfaches quadratische Polster als Sitzfläche, die Rückenlehne reicht nur bis zu den Rippen, bequem ist anders. Damit unser Fahrer sich bei der langen Reise nicht langweilt, wird noch Musik angeschmissen. Auch wir sollen uns offenbar nicht langweilen, der Bus hat Lautsprecher. Wir sitzen direkt unter einem. Uns stehen acht Stunden laotische Popmusik bevor. Hörbuch oder einfach nur schlafen sind diesmal keine Option. Jasmin kann beide Beine nur im 45 Grad Winkel auf den Boden stellen, sie sitzt auf dem Radkasten. Dominik ist mit unserem Technik Rucksack in den Sitz gepresst, nahezu reingeschossen. Es gibt keinen Millimeter mehr, um von einer Pobacke auf die andere zu wechseln, ist eben wieder nicht für Europäer gemacht.

Schon nach wenigen gefahrenen Metern halten wir an etwas das aussieht wie eine Werkstatt. Der hintere Reifen benötigt offenbar Luft. Eine Dame aus den vorderen Reihen sprintet aus dem Bus, sie nutzt noch einmal die Toilette der Werkstatt – auf Socken. Die Toilette am Busbahnhof war so eklig, dass Jasmin sich die Hände hinterher mit unserem Trinkwasser gewaschen hat, statt am Waschbecken. Sie schüttelt sich. Nach wenigen Minuten verlassen wir die Einfahrt, und rumpeln bergab. Jetzt zeigt der Bus was er wirklich kann. Das Fahrwerk liegt fest auf der Straße, aber gefühlt kippen wir. Ein Bus mit Neigetechnik. Irre.

Unsere Route führt tatsächlich durch die Berge, die Aussicht ist unglaublich. Laos ist und bleibt ein schönes Land. Langsam bereuen wir nicht mehr Zeit hier eingeplant zu haben. Pausen gibt es regelmäßig, Raststätten nicht. Jedes Mal steigen die Personen von den Gangsitzen zuerst aus, die Sitze werden hochgeklappt und erst dann dürfen die übrigen Fahrgäste den Bus verlassen. Männer vollziehen ihr Geschäft am Straßenrand, die Damen suchen verzweifelt nach einem Busch, Büschel oder irgendwas. So viel Offenheit, das ist neu.

In Dominik´s Fall ein wenig genervt, in Jasmins Fall entspannt erreichen wir irgendwann Phonsavan. Dort werden wir direkt von einem Taxifahrer zur Seite genommen, der uns für 1 Euro in die Stadt fahren will. Der Preis sagt uns zu, klingt ein wenig zu gut. Auf der Fahrt wird das Konzept schnell klar, die beiden verkaufen Touren. Wir versprechen es uns zu überlegen, sie machen einen netten Eindruck und sprechen gut Englisch. Selbst als sie uns zu unserem ursprünglich ausgewählten Hotel fahren und wir noch vor der Einfahrt bitten, sofort umzudrehen, da uns die Gegend nicht ganz geheuer ist, bleiben sie höflich. Und als sie uns zu unserem zweiten Hotel fahren, dass wir tatsächlich nehmen und Dominik den Guide inklusive diverser Preisvorschläge fragt, was dieser nun bekommt: 10,000 oder 20.000 oder 30.000 Kip, lacht dieser und bleibt beim ursprünglich vereinbarten Preis. Wir sind überzeugt und entscheiden uns für ihre Tour.

Als wir später das Reisebüro erreichen, treffen wir das französische Ehepaar aus dem Bus wieder. Der Preis würde sich halbieren, wenn wir die Tour gemeinsam buchen. Wie schlimm kann das schon werden? Wir diskutieren lange über die Route und kommen schließlich überein, uns die Tagestour mit den Beiden zu teilen, wir sparen tatsächlich 50%. Nach erfolgreicher Buchung ziehen wir uns in unser günstiges, spartanisches Zimmer zurück.

Vor der Tour frühstücken wir zunächst im einzigen Backpacker Café des Ortes, dann versuchen wir auf dem Markt ein paar Snacks für den Tag zu organisieren. Ein Mittagessen haben unserer Tourbegleiter kategorisch ausgeschlossen. Ihrem vehementen Ablehnen zu urteilen nach, scheinen die beiden nur in ausgewählten Restaurants zu speisen. Der Markt in Phonsavan ist wohl der bis dato Authentischste den wir besuchen. Wir kommen jedoch nur bis zur Hälfte der Halle. Der süßliche Duft von verwesendem Fleisch hält uns davon ab weiterzugehen. Auch mit Tuch vor dem Gesicht und Luftholen durch den Mund ist der Geruch zu stark. Man kann ihn förmlich schmecken. Wir entscheiden uns für Obst vom ersten Stand des Marktes.

Pünktlich startet unsere Tour. Außer unserem Fahrer begleitet uns noch ein neuer Mitarbeiter, der ein wenig Erfahrung sammeln soll. Er hat gerade das College abgeschlossen, sein erster Job. Nur zum Englisch lernen kommt er nach eigener Aussage unzureichend, da Frau und Baby zu Hause warten. Somit heißt es für ihn learning by doing. Small Talk kann er.

Unser erster Stopp sind die Plain of Jars, die „Ebene der Tonkrüge“. Hunderte Tonkrüge mit einem Gewicht von bis zu 6t sind auf insgesamt drei Fundstätten verteilt. Die Bedeutung oder Funktionsweise der Krüge sind bis heute ungeklärt. In teilweise eigenwilligen Theorien wird u.a. vermutet ob darin Whisky gebraut wurde. Wahrscheinlicher ist jedoch das dies eine etwa 2000 Jahre alte Grabstätte ist. Klingt im ersten Moment nicht spannend, ist aber doch beeindruckend. Die Landschaft ist schön. Wir genießen mal etwas anderes als Tempel zu besichtigen.

Unser zweiter Halt ist in einem alten Hmong Dorf. Ein wenig unsicher steigen wir aus dem Van. Ist es spannend zu sehen, wie Menschen heutzutage in Laos leben, fühlen wir uns nicht wirklich wohl bei dieser Art des Voyeurismus. Wir streifen durch die Straßen, finden spielende Kinder und essende Dorfbewohner. Auf dem Weg entdecken wir mehrfach Häuser, in denen Nudeln hergestellt werden. Unser „Guide“ läuft völlig selbstverständlich auf das erste Grundstück, wir folgen zögernd. Die Nudeln werden wie übergroße Crepes gebacken und schließlich zum austrockenen in die Sonne gelegt. Dominiks Frage, wie viele sie denn am Tag produzieren, kann unser Guide leider nicht beantworten. Die danebenstehenden Produzenten zu fragen, scheint keine Option zu sein. Das Wohnhaus sieht ärmlich aus. Die Mama wiegt ein Baby. Um unsere Füße toben kleine Welpen. Wir bedanken uns dreifach in Landessprache, um möglichst deutlich zu zeigen, wie dankbar wir für das Stören ihrer Privatsphäre sind. Unsere französischen Begleiter kommen auch heute nicht ohne Fauxpas aus. Wir treffen spielende Kinder, eines davon nackt, sie halten mit der Kamera direkt drauf. Was sie wohl zu Hause sagen würden, wenn dies ein Asiate mit ihren Kindern so handhaben würde? Später fotografieren sie über Zäune ins Familien leben, alles ein Stück zu selbstverständlich. Diesmal schämen wir uns wirklich für sie. Am liebsten würden wir jedem Dorfbewohner mitteilen, dass wir nur eine Zufallsbekanntschaft sind. Wir sind froh, als wir weiterdürfen.

Das letzte Ziel unserer Tagestour ist die ehemalige Hauptstadt. Alte Tempelruinen, Kranken- und Wohnhäuser. Während des Indochina Krieges hat es diese Region besonders schwer getroffen. In der Tat sind über Laos mehr Bomben abgeworfen worden als über Vietnam. Noch heute wächst kaum etwas Rund um Phonsavan. Auf jeder unserer Stationen passieren wir alte Bombenkrater. Kaum zu glauben, dass dies gerade einmal 45 Jahre her ist. Zumindest die wunderschöne, alte Stupa hat den Krieg unbeschadet überstanden hat. Erbaut wurde sie auf einem Hügel, rings herum haben wir beste Sicht auf die einmal mehr fantastische laotische Berglandschaft.

Zurück in der Stadt holen wir unser versäumtes Mittagessen nach. Zum dritten Mal steuern wir unser „Stammlokal“ an. Lachend werden wir begrüßt, einen Tee gibt’s aufs Haus, die Oma der Familie streichelt Dominik schmunzelnd über den Rücken. Irgendwie mögen sie uns und wir sind ebenfalls gerne hier. Leider zum letzten Mal, morgen geht es nach Vietnam.